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Esterl Golf: „Wir produzieren unsere Mode in Europa“

Golfmodebrands, die von SpielerInnen selbst betrieben werden, muss man mit der Lupe suchen. Greg Norman und John Daly haben eigene Labels, Tiger verkauft seinen Namen für eine Fashion-Linie und Willi Bogner und Lasse Kjus spielen Golf. Ob die Herren Calvin Klein und Ralph Lauren je ernst zu nehmendes Golf gespielt haben, entzieht sich leider unserer Kenntnis.

Dass es außerdem bei Golf-Companies wie Ping oder Footjoy Designer gibt, die sich um die Herrschaften auf den Fairways kümmern, ist als Businessmodell selbsterklärend. Bei den Damen wird es da schon deutlich übersichtlicher. Abseits der großen Sportlabels und Eigenmarken von Handelsketten liegt die Golf-Damenmode in Europa in einigen wenigen Händen. Und das sind zumeist welche, die nicht regelmäßig selbst den Damenschläger schwingen.

Eine Golfmodelinie wie Esterl Golf von Elisabeth „Lisl“ Esterl und ihrem Partner Neil Webb, die von einer Top-Proette eigenhändig für Golferinnen gemacht ist, ist also ein Einzelfall. „Das war eigentlich Zufall“, meint Lisl charmant, wenn man sie darauf anspricht, wie man als eine der erfolgreichsten Spielerinnen auf der LET-Tour zu einem eigenen Modelabel kommt. Weil sie immer schon eine Vorliebe für kräftige Farben und unkonventionelle Stoffmuster hatte, ließ sie sich bereits während ihrer aktiven Karriere Röcke und Hosen in ihren Lieblingsdesigns nähen.

„Sie ist modisch schon immer aufgefallen und war in der gesamten Golfwelt für ihren extravaganten und farbenfrohen Kleidungsstil bekannt“, erzählt auch Natascha Fink, mit der die Bayerin seit vielen Jahren eng befreundet ist. Weil man, selbst als Zweitgelistete der Order of Merit (2003) und dreifache Tourgewinnerin wie Lisl, auf der LET-Tour nicht leicht reich wird, teilten die beiden deutschsprachigen Top-Golferinnen über lange Zeit während ihrer Reisen nicht nur regelmäßig Hotelzimmer, sondern auch die Geschichten des Tages. 

Eine davon war ihr Zusammentreffen mit ihrem Lebens- und Geschäftspartner Neil 2008 während der Dubai Ladies Masters. Damit fiel auch der finale Anstoß für den Einstieg in das Modebusiness zusammen. Die Golfcompany vor Ort, für die der ehemalige PGA Professional und Coach arbeitete, wollte eine kleine Damenkollektion lancieren und Lisl beteiligte sich an der Kreation: „Die Firma verstand nicht allzu viel von Damenmode. Die Stoffe waren zwar technisch, aber nichts war chic, also begann ich bunte Materialien aus der ganzen Welt zu kaufen und neue Styles zu entwickeln.“

Verkauft wurde in limitierten Auflagen quasi aus dem Auto, an Ladies Captains und Freundinnen. Diesem Konzept ist das Label im Grunde treu geblieben, auch wenn sich der Name und die Relationen mittlerweile geändert haben. „Ich wollte Mode machen, die meinem Stil entspricht und auf dem Golfplatz auch praktisch ist. Es gab damals zum Beispiel keine Golfkleider oder Golfröcke mit Taschen, also entwarf ich welche und trug sie auf dem Platz“, erinnert sich die Firmengründerin. Das kam gut an. Also fiel 2015 nach 17 aktiven Sportjahren die Entscheidung gegen die Protour und für das Full Time-Modebusiness. 

Esterl Golf verlegt die Produktion von Dubai nach Portugal.

Die Gründe liegen für Lisl, die während der Wintermonate an der Algarve lebt, auf der Hand: „Hier gibt es eine tolle Kleidungsindustrie und ich wollte gerne alles in Europa produzieren. Ich weiß jetzt genau, wer meine Produkte näht, ich kann in die Fabrik gehen und Details besprechen und weiß, woher die Stoffe kommen. Wir arbeiten in allen Details strikt nach dem Hands-On-Prinzip.“ Den klassischen Weg über den stationären Handel meidet die Company. „Ich will mein Geschäft nicht in die Hände von EinkäuferInnen legen, sondern die KundInnen selbst entscheiden lassen“, erklärt Elisabeth ihre Vorgehensweise, „deshalb verfolgen wir das Konzept des Direkt- und Network-Marketings und -Vertriebes.

Der Handel kauft ja eher konservativ und immer nach Trends ein und unterliegt einem ständigen Preiskampf. Ich habe dagegen immer mein eigenes Team vor Augen.“ Also gibt es einen Onlineshop, den Van und künftig auch den Vertrieb über ihr Empfehlungs-Netzwerk und Agenturen.

Mit dem Van fahren Lisl und Neil während der Sommermonate immer noch selbst von Veranstaltung zu Veranstaltung, von Turnier zu Turnier. So entstehen spontane Modeschauen und Ideen, neue Styles werden direkt mit den KundInnen besprochen und oft sind auch einige Löcher Golf mit der Designerin selbst dabei.

Diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass sich das E2-Team künftig vorwiegend um die Damenlinie kümmern wird und die Herrenkollektion in den Hintergrund tritt: „Männer kaufen im Allgemeinen anders ein. Sie sind eher markenaffin, etwas konservativer und pragmatischer. Außerdem besprechen sie nach dem Turnier eher ihre Abschläge, als sich für Mode zu interessieren. Frauen lassen sich dagegen leichter auf einen Hype ein und das eingenähte Label ist eher zweitrangig“, beschreibt die Geschäftsfrau treffend das gängige Szenario. 

Esterl Golf: Der Fokus in der Entwicklung der Kollektionen liegt auf Funktion und Nachhaltigkeit.

Innovative und teils recycelte Stoffe sowie Partnerschaften mit anderen wegweisenden Firmen treten immer mehr in den Vordergrund. Dabei hilft es natürlich, dass das Paar in Porto, einem Mekka der europäischen Modeindustrie, lebt.

Auch wenn es für die Deutsche, die aus dem Ort Dingolfing (sic!) stammt, nicht immer leicht ist, sich mit der portugiesischen Arbeitsmentalität zu arrangieren. „Sie sind nicht immer die Schnellsten, aber tolle Menschen und alle arbeiten in Topqualität. Das ganz normale Mittagessen mit Weinbegleitung dauert schon mal zwei Stunden. Aber davon können wir auch viel lernen, vor allem Geduld und Lebensfreude“, detailliert die Designerin die Zusammenarbeit mit ihren ProduktionspartnerInnen.

Auch die Mode des insolventen Labels Golfino wurde teilweise in den gleichen Fabriken produziert, mit denen Lisl arbeitet: „Das schlaucht die Menschen hier sehr. Sie haben vieles schon fertig und bleiben nun auf ihren Produkten sitzen. Aber man stellt sich mittlerweile um und setzt künftig lieber auf viele kleinere statt einen großen Partner. Wir selbst wachsen lieber nicht so schnell, dafür sehr gesund und vor allem zu unseren eigenen Konditionen.“

Ein Prinzip, das die Topsportlerin aus ihrer aktiven Karriere kennt. Durchhaltevermögen, Disziplin, Geduld und Taktik sind ihrer Meinung nach Voraussetzungen, die sowohl im Sport als auch im Geschäft wichtig sind. „Vieles ausprobieren, dann für eine Linie entscheiden und draufbleiben“, so beschreibt sie die Herangehensweise, die sie im Golf an die Weltspitze gebracht hat und nun die tägliche Basis für ihren Beruf bildet. „Am Anfang war es Tag für Tag eine harte Ausbildung, im Modezirkus Fuß zu fassen, aber der Spaß kommt ja mit. Im Daily Business helfen keine Diplome, sondern Fleiß und Wille. Und wie im Sport auch dürfen Rückschläge nicht demotivieren, sondern sind dazu da, um besser zu werden.“ 

Natürlich schafft man es nicht immer, privat und Geschäft zu trennen“, sagt Elisabeth Esterl, „manchmal kracht es auch, aber daraus lernt man.“

Wenn man Elisabeths Kollektionen betrachtet, merkt man rasch, dass das alles überaus gut gelingt. Ihre Styles sind extrem eigenständig, praktisch und vielfältig. Und im Damenbereich sehr feminin: „Die Teile müssen den Kundinnen passen und gefallen. Wenn man schöne Beine hat, darf man die auch zeigen, auch wenn sich die Rocklängen schon ein wenig an meine Klientel in Deutschland, Österreich und der Schweiz anpassen.

Manchmal hätte ich’s gern ein wenig kürzer. Die Kleidungsetikette selbst sehe ich relativ gelassen. Spaghettiträger sollten es nicht unbedingt sein, aber in der kommenden Saison arbeiten wir zum Beispiel viel mit kleinen Stehkrägen oder auch mal Polos ohne Kragen.“ Eine Besonderheit in der Kollektion sind nicht nur die Leisure-Teile, sondern auch die Frankie-Foundation-Styles.

Dass Elisabeth Esterl eine hingebungsvolle Tierschützerin ist, merkt man unter anderem daran, dass man sie mitunter telefonisch in Porto auf ein Kätzchen wartend erreicht, das sie bis Februar noch durchfüttern und retten will. Ihr Engagement für Tiere ist damit aber bei weitem noch nicht erschöpft. In Erinnerung an ihre Rettungskatze Frankie produziert die Modeschöpferin eine eigene Linie mit farbenfrohen Tiermotiven. Von jedem Einkauf, den das E2-Team für diese Linie tätigt, werden 20% an eine Tierhilfsorganisation gespendet. 

All diese Entscheidungen im Laufe des Auf- und Ausbaus des Labels „Esterl Golf“ wurden gemeinsam mit Elisabeths Lebensgefährten getroffen. Beide Partner bringen ihre jeweiligen Stärken in das Unternehmen ein. Der Engländer vorwiegend im Bereich der Konzeption, Strategie und Digitalisierung, Elisabeth in Produktionsthemen und Design. „Natürlich schafft man es nicht immer, privat und Geschäft zu trennen“, plaudert die quirlige Geschäftsfrau aus dem Nähkästchen, „manchmal kracht es auch, aber daraus lernt man.“

Auch die Frage nach ihrem Golf beantwortet Lisl gewohnt direkt und pragmatisch: „Der LET-Zirkus fehlt mir gar nicht. Aber die Mädls fehlen mir, vor allem auch Natascha. Aber alles hat einfach seinen richtigen Zeitpunkt. Früher konnte ich die Welt sehen und viele Menschen kennenlernen, heute ist es ein Genuss, im eigenen Bett zu schlafen und Tiere zu haben.“ Sie hat außerdem gelernt, ihre eigenen Ansprüche an ihr Golf herunterzuschrauben. Sie spielt zwar regelmäßig, aber natürlich bei Weitem nicht so oft wie früher. „Nach drei Loch komme ich meist schon wieder ins Spiel, das genieße ich, aber es ist natürlich anders als früher mit acht Trainingsstunden pro Tag. Ich mag, dass mein Golf mittlerweile gemütlicher ist.“

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